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Der Schulzwang wird fallen wie die Berliner Mauer
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Öffentliche Konsultation „Schulen für das 21. Jahrhundert“

Hintergrund:

Die Europäische Kommission hat beschlossen, die Öffentlichkeit in einer Konsultation zu den Bereichen des Schulwesens zu befragen, in denen die Europäische Union sinnvollerweise tätig werden sollte, um die Mitgliedstaaten bei der Modernisierung ihrer Bildungssysteme zu unterstützen.
Nähere Information. Dazu wurden eine Reihe von Fragestellungen herausgegeben, zu denen sowohl Organisationen wie auch Privatpersonen Stellungnahmen abgeben konnten. Das Netzwerk Bildungsfreiheit hat zu dieser öffentlichen Konsultation gegenüber der EU Kommission wie folgt Stellung bezogen:

Vorstellung unserer Organisation

Das "Netzwerk Bildungsfreiheit" ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Organisationen, Elterninitiativen und Einzelpersonen, denen das Recht auf freien Zugang zur Bildung, freie Wahl und freie Gestaltung des individuellen persönlichen Bildungsweges unter Zuhilfenahme öffentlicher wie privat initiierter Ressourcen ein Anliegen ist.

Vorbemerkung

In den einleitenden Ausführungen zu dieser Konsultation über Schulen für das 21. Jahrhundert fallen zwei sich grundsätzlich widersprechende Dinge ins Auge. Es geht da einerseits um das Humankapital, wirtschaftliches Wachstum und langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union. Andererseits sollen Kinder (bzw. alle Menschen) ihre Talente optimal entfalten und ihr Potential ausschöpfen können, es geht um eine gelungene emotionale und intellektuelle Persönlichkeitsentwicklung und individuelles Wohlbefinden sowie darum, dass Kinder (Menschen) Bürgersinn und Solidarität und die Befähigung zur Teilnahme an einer partizipativen Demokratie entwickeln. Dabei wird mit der Betonung der wirtschaftlichen Interessen ganz klar ein Rahmen gesetzt, innerhalb und zugunsten dessen individuelle Bildung erfolgen soll.

Diesem Ansatz kann aus unserer Sicht nicht gefolgt werden. Wer an die erste Stelle das Humankapital stellt und die Bildung des Individuums darunter ansiedelt, hat sich bereits deutlich dafür entschieden, den einzelnen Menschen nur als Mittel zum Zweck zu sehen. Konsequenterweise wird im Konsultationspapier im Weiteren auch kaum noch von Bildung, sondern in erster Linie von Lernen gesprochen. Bildung kann nur in Freiheit, also ohne a priori auf einen Zweck hin ausgerichtet zu sein, gelingen. Lernen ist, wenn es nicht aus intrinsischer Motivation erfolgt, zweckgerichtet. Konsequenterweise behandeln die im Konsultationspapier gestellten Fragen auch nur die institutionelle Bildung und lassen unerwähnt, dass Schulen für eine gelungene ganzheitliche Bildung des Individuums verzichtbar sein können.

Richtig ist, dass Schulen in aller Regel die Orte sind, an denen Kinder ab einem bestimmten Alter wichtige Einflüsse für ihre Bildung erhalten. Im nationalen deutschen Rahmen ist dabei besonders darauf hinzuweisen, dass hier die maßgeblichen politischen Kräfte massiv darauf hinwirken, ein schulisch geprägtes Umfeld zum weitgehend bestimmenden Lebensumfeld aller Kinder zu machen, nach dem Motto: immer früherer Schuleintritt, immer längere tägliche Schulzeiten, massive Unterdrückung, ja sogar Kriminalisierung jeglicher Möglichkeit, sich schulfrei zu bilden.

Damit ist gleich vorab der im nationalen deutschen Rahmen wichtigste Punkt für uns im Rahmen dieser Konsultation genannt: Mit Vernor Munoz Villalobos, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung, fordern wir eine Legalisierung oder zumindest Duldung subsidiärer Lernwege, welche schulbesuchsfrei erfolgen können, und zwar im Interesse der Persönlichkeitsentfaltung und des Wohlbefindens derjenigen Kinder, denen die institutionelle Bildung aus diversen Gründen nicht gut tut.

Stellungnahme zu den Fragen 1 bis 6 des Konsultationspapiers

1. Frage:  Wie können die Schulen so organisiert werden, dass sie den Schülern das gesamte Spektrum der Schlüssel-kompetenzen vermitteln?

Am Erwerb muttersprachlicher Kompetenz kann exemplarisch gezeigt werden, dass die dafür notwendigen Voraussetzungen am besten in einem lebendigen Umfeld gegeben sind, in dem der Lernende aus intrinsischer Motivation (zu verstehen und verstanden zu werden) aktiv experimentierend und passiv rezipierend mit dem Lerngegenstand konfrontiert ist. Eine positive Atmosphäre am Lernort, authentische und positive Beziehungen zu den "Lehrenden" (hier: Vorbilder, allerhöchstens Lernbegleiter), Anerkennung des und Respekt gegenüber dem Lernenden sind förderlich. Überschaubare und altersgemischte (familiäre oder familienähnliche) Gruppen bieten optimale Möglichkeiten und sind umso wichtiger, je jünger das Kind ist.

Positive Modelle sind kleine private Schulen oder Lerngruppen in Wohnortnähe, in denen der meist übliche Bruch zwischen realer Welt draußen und künstlicher sowie relativ abgeschotteter Schulwelt weitgehend aufgehoben ist. Positiv ist unter diesem Aspekt auch die sogenannte Home Education anzusehen, sofern die Kinder genügend Außenkontakte (Teilnahme an Kursen, Vereinen, Gemeindeleben etc.) haben, was in der Regel der Fall ist. Je jünger das Kind ist, desto mehr wird ihm eine organisch gewachsene Gruppe bzw. Familie förderlich beim Erwerb der nötigen Schlüsselkompetenzen sein. Je weniger künstlich forcierten Wettbewerb es gibt, desto mehr wird die ursprüngliche intrinsische Motivation des Kindes zu lernen geschützt und erhalten bleiben. Es ist daher auf alle Arten von Außenbewertung, Benotung, das Einfordern von Vergleichsarbeiten (welche in Deutschland, z.B. im Bundesland Baden-Württemberg schon in den ersten Grundschulklassen verpflichtend eingeführt wurden) ausdrücklich zu verzichten.

Älteren Kindern bzw. Jugendlichen sollte der freie Zugang zu Ressourcen aller Art (Kurse vor Ort, Fernkurse, Lernmaterialien, Lernbegleitern bzw. Lehrpersonen, Praktika etc.) gegeben sein, um sich entsprechend ihren individuellen Begabungen und Interessen in einzelnen Schlüsselkompetenzen vervollkommnen zu können. Konkret können das z. B. zur Förderung der fremdsprachlichen Kompetenz geeignete Unterstützungen für Sprachaufenthalte im Ausland sein oder zur Förderung der naturwissenschaftlich-technischen Kompetenz die Bereitstellung von Labors zum praktischen Experimentieren oder die Vermittlung von Praktikumsplätzen in geeigneten Unternehmen.

Die weniger fachlich ausgerichteten, übergeordneten Schlüsselkompetenzen (soziale Kompetenz und Bürgerkompetenz, Eigeninitiative und unternehmerische Kompetenz, Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit) können ganz klar nicht vorrangig durch eine aktive Unterrichtung erzielt werden, sondern nachhaltig nur durch eine positive Lebenseinstellung des Lernenden erworben werden. Lernkompetenz besitzt aus unserer Sicht jedes Kind a priori, und es gilt, diese nicht zu verschütten, indem unterschiedlichste individuelle Lernstrategien geachtet und unterstützt werden. Das Negativbeispiel ist noch in vielen deutschen Schulen verbreitet und wird treffend illustriert durch das Beispiel, dass in einem Mathematiktest die volle Punktzahl nur dann zu erzielen ist, wenn der Rechenweg dem vom Lehrer vorgegebenen entspricht; ein richtiges Ergebnis bei abweichendem Rechenweg wird oft mit Punkteabzug quittiert. Zur Aufrechterhaltung der Lernkompetenz gehört auch die unbedingte Achtung der intrinsischen Motivation, wie dies bereits in manch alternativen Schulen in Deutschland geschieht. Hier gilt es, den Staat (Kultusbehörden) in die Schranken zu verweisen, denn oft genug werden die hervorragenden alternativpädagogischen Ansätze solcher Schulen durch die Vorgaben und Kontrollen der Organe der Kultusbehörden torpediert.

2. Frage: Wie können die Schulen den jungen Menschen die erforderlichen Kompetenzen und die notwendige Motivation vermitteln, damit das Lernen zu einer lebenslangen Aktivität wird?

Es gilt hier, was in der vorigen Antwort zur Lernkompetenz bereits gesagt wurde:

Die unbedingte Achtung der intrinsischen Motivation und der individuellen Lernstrategien des Kindes sind Voraussetzung dafür, dass Lernen positiv erlebt wird und damit zu einer erfüllenden lebenslangen Aktivität werden kann. Wer von klein auf die Erfahrung machen darf, dass Lernen ein integraler Bestandteil seiner Persönlichkeit ist, dass er seine Neugier und sein Interesse entfalten und befriedigen darf, der wird ein begeisterter Lerner bleiben. Lernen in natürlichen, lebensnahen Zusammenhängen unter Bedingungen, welche die Würde der lernenden Personen achten und ihre Besonderheiten anerkennen, ist der Schlüssel zu einer Gesellschaft, deren Mitglieder einer Weiterbildung offen gegenüber stehen, und denen die ständige Erweiterung des persönlichen Horizonts ein echtes Bedürfnis ist.

3. Frage: Wie können die Schulsysteme ein langfristiges, nachhaltiges Wirtschaftswachstum in Europa unterstützen?

Auf diese Fragestellung wurde in der Vorbemerkung schon kritisch Bezug genommen. Eine zukunftsfähige Gesellschaft sollte aus Bürgern gebildet werden, die ihr Umfeld und ihre Zukunft bewusst und verantwortlich gestalten, und nicht aus Lernenden, welche vorrangig Menschenmaterial sind, das der Idee einer kontinuierlich wachsenden Wirtschaft zugute kommt.

Eine Gesellschaft, die dem Individuum den Bildungserwerb nicht ohne Wenn und Aber zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit gestattet, richtet sich selbst. Die nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft in eine kreativ zu bewältigende, ungewisse Zukunft braucht Menschen, die ihr jeweils eigenes Potential entdecken und zur vollen Entfaltung bringen können, zum Wohle ihrer Selbst und besonders zum Wohle der Allgemeinheit. Eine Anhebung der Bildungsleistung und ein erhöhtes Wirtschaftswachstum zielen hier auf Quantität. Es ist aber ein Umdenken nötig in Richtung Qualität. Wer in Gemeinschaft, sei es nun in Form von Schulen, von Lerngruppen oder von Familien, die positiven Effekte erlebt, die das Zusammenspiel der unterschiedlichen Fähigkeiten der einzelnen Individuen zeigt, wer erlebt, dass Lebensqualität durch harmonische Lebensführung erreicht wird, der wird sich im größeren gesellschaftlichen Rahmen für nachhaltiges und situationsangemessenes Wirtschaften einsetzen können, und nicht allein auf stetes Wachstum und maximalen Profit ausgerichtet handeln.

4. Frage: Wie können die Schulsysteme am besten auf die Erfordernisse reagieren, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, die kulturelle Vielfalt zu berücksichtigen und die Zahl der Schulabbrecher zu verringern?

Momentan besteht in Deutschland die offizielle Bestrebung, durch verpflichtenden Schulbesuch dafür zu sorgen, dass Kinder schon früh an ein politisch und wirtschaftlich gewünschtes Menschenbild herangeführt werden. Es bleibt darin wenig Platz für die Aufrechterhaltung kultureller (religiöser, ethnischer etc.) Eigenheiten. Das Negativ-Schlagwort lautet: Parallelgesellschaften. Der Bildung von Parallelgesellschaften soll durch die deutsche Schulpflicht entgegengewirkt werden. Alternative Bildungswege (insbesondere Home Education) werden größtenteils als massive Bedrohung wahrgenommen und weitgehend kriminalisiert. Kulturelle Vielfalt zu berücksichtigen würde heißen, eine pluralistische Gesellschaft positiv zu sehen. Die deutschen Kultusbehörden sollten eine positive Einstellung gegenüber einer pluralistischen Gesellschaft einnehmen, anstatt mit zunehmendem Zwang und Einengung für eine Bildung im Rahmen streng definierter Grenzen einzutreten.

Zur Wahrung kultureller Vielfalt wären in Deutschland insbesondere alle Bestrebungen zu unterstützen, die ein Aufwachsen der Kinder im familiären Rahmen fördern. Dazu gehören die Förderung der familiären Betreuung von Klein- und Vorschulkindern und die Förderung von Halbtagseinrichtungen im Vorschul- und Schulbereich. Die Wurzeln kultureller Vielfalt werden in den Herkunftsfamilien der Schüler gebildet, im Rahmen von Institutionen kann auf eine stark ausgebildete kulturelle Identität der Schüler aufgebaut werden und ein fruchtbarer Austausch erfolgen. Privat organisierte Einrichtungen, Vereine, Gemeinden, in denen einzelne Menschen mit gezielten Interessen und Bürgerengagement einerseits für die Aufrechterhaltung ihrer kulturellen Tradition eintreten und andererseits den lebendigen Austausch mit Menschen anderer kultureller Identität unterstützen, können Beispiel geben für die Ausgestaltung von Schulen und bei einer gelockerten Schulbesuchspflicht diese möglicherweise sogar ganz oder teilweise ersetzen.

Bildungsgerechtigkeit

Auch die Förderung kleiner Schulen sowie stadtteilbezogener Kultur- und Bildungseinrichtungen (Bibliotheken, Jugendhäuser, Theater etc.) sollte Vorrang haben. Optimalerweise sollten in diesen Einrichtungen die Bürger in Entscheidungsprozesse eng eingebunden sein. Es liegt nahe, dass auch sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche in Einrichtungen, in denen kreatives und weltoffenes Engagement willkommen ist, auf ihre Kosten kommen würden und eigenes Engagement einbringen könnten. Ein gelungenes und außergewöhnliches Beispiel einer Schule, die es durch eine ungewöhnliche Maßnahme schaffte, überwiegend sozial benachteiligte Schüler zu außergewöhnlichen Leistungen zu beflügeln, dokumentiert der Film "Rhythm is it“ (siehe u. a.: http://www.ganztaegig-lernen.org/www/web457.aspx)

Zur Bildungsgerechtigkeit würde beitragen, das fünfgliedrige deutsche Schulsystem (Grund-, Haupt-, Real-, Förderschulen und Gymnasien) vor allem nach oben durchlässig zu gestalten. Praktische Erfahrungen in Einzelfällen haben gezeigt, dass Wissenslücken beim Wechsel in eine höhere Schulform durch eine zeitweilige individuelle Unterrichtung/autonomes Lernen bei entsprechender Motivation schnell geschlossen werden können. Die Regel ist im deutschen Schulsystem allerdings immer noch, dass eher Hochbegabte in Förderschulen landen, wenn sie nach Jahren des Unverständnisses für ihre Eigenarten mit totaler Leistungsverweigerung reagieren, als dass begabte Schüler aus niedrigeren Schulformen in höhere Schulformen wechseln. Um da eine Verbesserung zu ermöglichen, wäre ein Wegkommen von allzu differenzierten Curricula hin zu mehr übergeordnet vorgegebenen Bildungszielen (Schlüsselkompetenzen) wünschenswert. Die Wege zur Erreichung dieser Ziele sollten in ihrer Vielfalt Anerkennung finden, kombinierende Inanspruchnahme verschiedener Bildungswege möglich gemacht werden (Flexischooling).

Schulabbrecher

Aus unserer Sicht sind Schulabbrecher eine unausweichliche Folge eines Schulsystems, welches die Lernenden als Individuen nicht ausreichend wahrnimmt. Je mehr Schulen und sonstige Bildungsorte individualisierte Bildungswege ermöglichen, desto weniger frustrierte und rebellierende Schüler, die möglicherweise als Schulabbrecher enden, wird es geben.

Schulen, die zu Lernorten werden und sich öffnen, Angebote, welche frei gewählt werden können und den Bedürfnissen der Lernenden entsprechen, bedienen nicht nur den Wunsch des Individuums nach Selbstorganisation, sondern ermöglichen wirkungsvollen, vertiefenden Bildungserwerb. Der Mensch wird "da abgeholt, wo er gerade steht".

5. Frage: Was kann auf Ebene der Lehrpläne, der Schulorganisation und der Rolle der Lehrer getan werden, damit die Schulen auf die Lernbedürfnisse der einzelnen Schüler eingehen können?

In Deutschland gibt es mittlerweile auch für den Vorschulbereich verbindliche Bildungspläne. Dadurch wird schon das kleine Kind mit bewertendem Blick wahrgenommen, anstatt ganzheitlich als kompetenter Mensch mit ganz eigenen und wunderbaren Begabungen gesehen zu werden, welche so individuell sind, dass sie sich am besten in einer freiheitlichen Atmosphäre ohne Vorgaben (Ziele) entfalten können. Außerdem wird immer mehr vergessen, dass die grundlegende und kreativste Tätigkeit des Kindes bis zu einem Alter von mindestens zehn Jahren (das erkannte schon Rudolf Steiner) das freie Spiel ist. Im freien Spiel werden Rollen und Zusammenhänge des Alltagslebens, des kulturellen Umfeldes und der Phantasie entspringend nachvollzogen, emotionale, soziale und intellektuelle (besonders sprachliche) Kompetenzen werden darin optimal geübt und verfeinert. Es sollte also idealerweise dem freien Spiel noch im gesamten Primarbereich ein großer Raum eingeräumt werden, wie dies z. B. in den Freien Aktiven Schulen nach Wild geschieht, anstatt immer früher und immer mehr auf kognitives Lernen Gewicht zu legen.

Schulorganisation

Um den vielfältigen Lernbedürfnissen der Kinder und Jugendlichen Rechnung zu tragen, sollten Schulen wesentlich mehr Eigenständigkeit erhalten. Es würden sich Schulen mit unterschiedlichsten Profilen bilden, auch im Bereich der staatlichen Schulen, wenn dort zukünftig die Schulleitung weitgehend autonom entscheiden dürfte, anstatt dass alles zentral (vom jeweiligen Kultusministerium oder wie geplant sogar in manchen Belangen bundeseinheitlich) vorgegeben wird – geregelt von Menschen, die von der Lebensrealität der Schulgemeinschaften in jeder Hinsicht weit entfernt sind.

Rolle der Lehrer

Ein Schulsystem, das ernst nimmt, was als Motto zu dieser Konsultation vorab mitgegeben wurde ("Begrenze dein Kind nicht auf das, was du gelernt hast, denn es ist in einer anderen Zeit geboren" - hebräisches Sprichwort), sollte von der Idee abweichen, dass dem Kind feststehende Fertigkeiten und Kenntnisse eingetrichtert werden müssen und sich dahingehend orientieren, dass das Kind aus eigenem Antrieb die Welt erforschen möchte und sich dabei die notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse aneignen wird. Dazu gehört Vertrauen in das Kind und ein Zurücknehmen der eigenen Person von einer Einstellung: Ich weiß schon, was gut und wichtig für dich ist" hin zu einer Haltung: "Ich habe viel Lebenserfahrung, und wenn ich dir als Person oder mit dieser meiner Erfahrung in Deinen Lernbestrebungen behilflich sein kann, dann habe ich immer ein offenes Ohr und Zeit für dich". So wird der Lehrer in erster Linie ein Ansprechpartner, ein Lernbegleiter und eventuell ein "Entfacher von Feuern der Begeisterung" für eine bestimmte Materie. Dazu ist nötig, dass Lehrende die Materie, die sie weitervermitteln wollen, mit echtem eigenen Interesse aufgenommen haben, pflegen und vervollkommnen. Dazu ist auch nötig, dass sie nicht vor eine Gruppe Uninteressierter gestellt werden, welche ihnen zwangsweise vorgeführt wurden. Wenn Lehrer begeistert von ihrem Wissen abgeben an Menschen, die sich anstecken lassen wollen, dann wird der Unterricht, das gemeinsam bearbeitete Projekt usw. zu einer alle mitreißenden Veranstaltung werden. Wer sich selbst in einen freiwillig zu besuchenden Kurs einschreibt oder diesen initiiert, geht keinesfalls ablehnend in eine Lern-/Lehrsituation.

Zur in Deutschland stattfindenden Diskussion um die bessere Ausbildung (gefordert ist ein Hochschulstudium) von Erziehern für den Vorschulbereich ist zu sagen, dass dabei völlig verkannt wird, dass bei jungen Kindern überwiegend nicht die Fachkompetenz des betreuenden Erwachsenen im Vordergrund steht (genauso wenig wie das kognitive Lernen beim Kind), sondern die menschliche Reife, die Empathiefähigkeit, die emotionale Bereitschaft, dem Kind als Bindungsperson zur Verfügung zu stehen. Letzteres ist naturgemäß im institutionellen Rahmen schwer zu verwirklichen, sollte aber soweit wie möglich gelebt werden können. Dazu ist ein Hochschulstudium sicherlich nicht nötig, evt. sogar kontraproduktiv. Wichtig sind eher vielfältige praktische Erfahrungen schon während der Ausbildung. Was für Erzieher im Vorschulbereich gilt, gilt zumindest teilweise auch für Grundschullehrer. Erst im Sekundarbereich werden die fachlichen Kompetenzen des Lehrenden in den Vordergrund rücken, ohne dass dadurch die genannten Attribute, welche wir für den Vorschulbereich für unabdingbar halten, unwichtig würden.

6. Frage Wie können die Schulgemeinschaften – im Einklang mit Grundwerten wie Frieden, Toleranz und Vielfalt – einen Beitrag zur Erziehung der jungen Menschen zu verantwortungsvollen Bürgern leisten?

Die aktuelle Situation an deutschen Schulen ist geprägt von der Allgegenwart von Mobbing und Bullying. Dazu kommen demütigende Situationen im Zusammenhang mit Leistungsstand- und Hausaufgabenkontrollen, Strafen wie Aussperrung des Schülers vor das Klassenzimmer bis zum Ende der Schulstunde und vieles mehr. Selbst die Lehrmethoden sind oft demütigend. Das Beispiel, in dem Schüler und Schülerinnen einer zweiten Klasse Grundschule dazu aufgefordert wurden, sich in kleineren Gruppen auf mehrere großformatige Turnmatten zu verteilen, um sich dann gegenseitig davon herunterzustoßen, bis nur noch jeweils ein "Sieger" übrig war, ist noch harmlos. Respektvoller Umgang mit dem anderen wird in Gruppensituationen häufig nicht gefördert, sondern – wie z. B. die mittlerweile oft üblichen gemeinschaftlichen Angriffe von Schülern auf Lehrer zeigen – geradezu torpediert.

Solange in den Schulen bzw. innerhalb der jeweiligen Lerngemeinschaft (auch: Lerngruppe, Familie) die Grundwerte Frieden, Toleranz und Vielfalt nicht gelebt werden, solange Erwachsene (Lehrer, Eltern) nicht als Vorbilder in der Lage sind, diese authentisch zu vermitteln, solange kann die Erziehung junger Menschen innerhalb solcher Gemeinschaften nur "als Schuss nach hinten losgehen". Positive Beispiele setzen hier alternative Schulen wie diejenigen nach dem Sudbury-Valley-Modell (demokratische Schulen) oder das Pesta in Ecuador (von Rebecca und Mauricio Wild aufgebauter Bildungsort, mittlerweile geschlossen, da die Gründer sich aus Altersgründen zurückzogen).

Die dem Schulbesuch in Deutschland zugrundeliegende, unumstößliche Schulbesuchspflicht, die gesetzliche Möglichkeit der polizeilichen Zuführung von Schülern zur Schule (Schulzwang), die gesetzliche Möglichkeit, strafmündige Schüler wegen fehlenden Schulbesuchs zu Haftstrafen zu verurteilen (wie im Bundesland Sachsen vielfach geschehen) und weitere gesetzliche Grundlagen, auf denen Eltern, die ihre an der Schule massiv leidenden Kinder eigenmächtig vom Schulbesuch befreien, weil sie von den Verantwortlichen nicht ernstgenommen werden, zu Bußgeldern, Geldstrafen, Haftstrafen, Erzwingungshaft verurteilt werden, wodurch Familien wirtschaftlich ruiniert (Zwangshypotheken auf Familienwohnsitze, Vernichtung selbstständiger beruflicher Existenzen) oder sogar auseinandergerissen werden (Sorgerechtsentzüge, Zwangseinweisungen in die Psychiatrie), bilden das Fundament für ein scheinheiliges Schulsystem, in welchem gelehrt werden soll, was nicht gelebt wird! Und in welchem die Gewalt, die gesät wurde, gedeiht! Um diese ungeheuerliche Situation zu bereinigen, gibt es nur eine Möglichkeit: die sofortige Abschaffung der deutschen Schulpflicht in Form einer tatsächlich eingeforderten Schulanwesenheitspflicht (Schulbesuchspflicht) und die Einführung eines Bildungsrechtes, aufgrund dessen sich die Individuen ihren persönlichen Begabungen und Interessen gemäß Lernorte, Lehrende, Kurse usw. aussuchen können, in Selbstverwaltung befindliche Lernorte ohne bürokratischen Gängelung entstehen können und der Staat in die Rolle des Wächters über dieses Dienstleistungssegment (wie in Artikel 7 des deutschen Grundgesetzes ausdrücklich vorgesehen) zurückverwiesen wird!

Auf einer Grundlage von Zwang können Werte wie Frieden, Toleranz und Vielfalt niemals authentisch gelebt werden, niemals nachhaltig gedeihen. Schul- und Lerngemeinschaften können dann einen echten Beitrag zur Erziehung von Kindern und Jugendlichen zu verantwortungsvollen Bürgern leisten, wenn sie deren Würde, deren Rechte und deren Besonderheiten achten, wenn Lehrende/Lernbegleiter achtsam mit den Lernenden umgehen, wenn die Lernenden sich mit dem Lernstoff nicht aufgrund von Widerstand hervorrufendem Zwang, sondern aufgrund von Interesse beschäftigen – kurz, wenn die Basis des Ganzen "Friedlichkeit und Freiwilligkeit" ist.

Netzwerk Bildungsfreiheit e.V.

Für den Vorstand: Jörg Großelümern - Klemens Lichter - Matthias Maisch

Für das Kuratorium: Elisabeth Kuhnle

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